6Gelehrte Herren
um 1942
Gemälde, Tempera auf Karton, 100 x 70 cm
Das Bild „Gelehrte Herren“ gehört zu einer Gruppe anonymer Porträts, die in der Zeit des Nationalsozialismus entstehen. Jeanne Mammen hat in diesen Bildern vermutlich weniger konkrete Personen, als vielmehr Menschentypen dargestellt. Diese hat sie mit kubistisch-expressiven Ausdrucksmitteln karikiert, einzelne Wesensmerkmale beispielhaft überzeichnet. In diesem Fall ist das Bild aus geometrischen Formen in zumeist Rot- und Blautönen aufgebaut, die zwei Männer erkennen lassen. Der linke ist frontal, der rechte im Halbprofil dargestellt. Der linke trägt einen Hut, sein Gesicht ist in gedeckten Farben gehalten, so dass der Eindruck entsteht, er befindet sich leicht im Halbschatten des Hintergrunds. Der Hut ist tief in das Gesicht gezogen, die Augen stehen sehr eng beieinander und sind so geformt, als habe er die Stirn in einer Mischung aus Erstaunen, Verwunderung und Zweifel gerunzelt. Sein Mund ist nicht zu erkennen, er ist von einem dichten Schnauzer verborgen. Davor bilden sechs flache Rechtecke eine Art Bücherstapel, die er vor der Brust hält. Vielleicht soll dies ein Bücherwurm sein, der sich hinter seinen Büchern vergräbt, aber nicht in den Vordergrund tritt. Dort steht der rechte Mann, Stirn, Nase und Bart in helleren Tönen gehalten, er erscheint dadurch wie ausgeleuchtet. Die Augen sind runder gemalt als beim linken Mann, das linke schmal in die Höhe gezogen, das andere schräg nach rechts unten schauend. Der clowneske Eindruck wird durch den geöffneten Mund, die herausragende Zunge und die schräg sitzende, getüpfelte Fliege verstärkt. Der geöffnete Mund impliziert, dass er der sprechende Part ist, während der andere zuzuhören scheint. Eine Lesart wäre, dass die „Gelehrten“ der damaligen Zeit, die von sich Gehör machten, bei Jeanne Mammen eher einen irren Eindruck hinterließen, während die Stimmen der Vernunft sich hinter ihrem Wissen im Hintergrund verschanzt in Schweigen hüllten.