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13Wenn ich groß bin, dann ...

Anna Franziska Schwarzbach
2000, Eisenguss

Mahnmal: Wenn ich groß bin, dann ...

Nach wenigen Metern öffnet sich das mitten auf dem Campus Berlin-Buch gelegene Waldstück zu einer kleinen Lichtung. Hier steht das Mahnmal „Wenn ich groß bin, dann ...“ der Künstlerin Anna Franziska Schwarzbach.

Das Mahnmal besteht aus einer von einem Metallrahmen gefassten Fläche von sieben mal sieben Metern in der unterschiedlich große Kupferschlackesteine als Bodenrelief gepflastert wurden. Auf dieser Fläche befindet sich ein Metallsockel mit drei Stufen, auf dem auf einem weiteren Metallsockel die Skulptur eines Menschen zu sehen ist, dahinter und zur Linken ist die Skulptur eingerahmt von metallenen Stelen. Die Gestalt lässt sich an den Proportionen als Kind ausmachen. Das Gesicht ist erkennbar und zeigt einen ruhigen Ausdruck. Der Körper ist im Gegensatz dazu stark abstrahiert, erscheint „aufgebrochen“ und ermöglicht Einblicke. Den „Durchblick“ jedoch erhalten die Betrachtenden nur von gewissen Positionen aus. Gegenüber der Gestalt fordern Metallquader als Sitzgelegenheit zum Verweilen und Nachdenken auf. Von einigen aus gesehen bilden die neben der Kindergestalt angebrachten Stelen eine geschlossene Wand, von anderen ermöglichen sie den Blick in das Waldstück.

Anna Franziska Schwarzbach wurde 1949 in Rittersgrün im Erzgebirge geboren. Sie studierte Architektur an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Prof. Selman Selmanagic. Nach ihrem Diplom 1973 arbeitete sie als Architektin am Palast der Republik in Berlin. 1975 kehrte sie an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee zurück, um dort ein Abendstudium der Portraitplastik zu absolvieren. Seit 1977 ist sie freischaffende Bildhauerin. Sie nutzt viele Materialien, als eine der wenigen Bildhauerinnen arbeitet sie mit Eisenguss. Ihre Werke wurden vielfach ausgezeichnet und sind in zahlreichen Ausstellungen sowie im öffentlichen Raum zu sehen. Sie wurde 1998 mit dem Ernst-Rietschel-Preis für Bildhauerei und 2021 mit dem Brandenburgischen Kunstpreis ausgezeichnet. Sie gehört zu den elf Künstlerinnen der Welt, die in den vergangenen 100 Jahren den Sanford Saltus Preis der American Numismatic Society erhielten.

Wenn ich groß bin, dann ...

In diesem Mahnmal geht es um die Beteiligung von Wissenschaftler*innen und Mediziner*innen des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung in Berlin-Buch an nationalsozialistischen Euthanasieverbrechen. In der Zeit von 1939 – 1944 nutzten sie Gehirne von Mordopfern, oft Kindern, für ihre Forschungen. Die Gehirne, die in Buch untersucht wurden, stammten von kranken und behinderten Kindern, die in Brandenburg-Görden und anderen „Heilanstalten“ für die Forschung getötet wurden. Nachdem im Jahre 1992 die Max-Planck-Gesellschaft als Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Hirnpräparate aus dem Bucher Institut in einer Gedenkveranstaltung in München beigesetzt hatte, beantragte die Künstlerin Anna Franziska Schwarzbach im neu gegründeten Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch die Errichtung eines Mahnmals zum Gedenken an diese Opfer. Am 5. Oktober 1992 wurde die Künstlerin vom damaligen Stiftungsvorstand Prof. Dr. med. Detlev Ganten beauftragt, „ein Mahnmal entsprechend vorgelegtem Entwurf zu gestalten“. Die Finanzierung erfolgte aus Mitteln der Stiftung Kulturfonds und der LOTTO-Stiftung Berlin. Am 14. Oktober 2000 wurde das Mahnmal in Anwesenheit der Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft, Vertreter*innen des Senates von Berlin und des Bürgermeisters von Pankow sowie in Anwesenheit von mehreren hundert Campus-Mitarbeiter*innen und Bürger*innen aus Buch feierlich enthüllt. Es gilt als eines der ersten Euthanasiemahnmale die nach der deutschen Einheit errichtet wurden.

Der rückwärtige Teil der Stahlkonstruktion trägt die Inschrift:

Zur Erinnerung an die Opfer national-sozialistischer Euthanasieverbrechen.
Von 1939 bis 1944 haben Wissenschaftler des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung in Berlin-Buch Gehirne von Opfern der Mordtaten für Forschungszwecke benutzt.
Als Verpflichtung und Mahnung für Wissenschaftler und Ärzte zu ethischem Handeln, zur Achtung der unveräußerlichen Rechte aller Menschen und zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Mitverantwortung.

Der Ort und das Arrangement fordern Betrachtende auf, sich mit dieser Geschichte, diesen Verbrechen, der Bedeutung des Wortes „Euthanasie“ und „unwertes Leben“ auseinanderzusetzen. Auch der Ort ist angemessen: inmitten des Campus. Das Mahnmal steht im Zentrum und soll stets daran erinnern, sich der Handlungsmaxime moderner Wissenschaft stets aufs Neue bewusst zu machen und danach zu handeln.

Interview: