13bCécile Vogt
27.03.1875 in Annecy, Frankreich –
04.05.1962 in Cambridge, England
Cécile Vogt war Medizinerin und Hirnforscherin, die zeitlebens mit ihrem Mann Oskar Vogt arbeitete und veröffentlichte. Das Forscherehepaar etablierte unter anderem die Theorie, dass sich die Fähigkeiten eines Menschen aus der Architektur seines Gehirns ablesen lassen. Über die jahrelange Arbeit und die Ehrungen, die sie auch meistens zusammen erhielten, machte sich das Paar einen gemeinsamen Namen. Oskar und Cécile Vogt gelten als Mitbegründer der architektonischen Hirnforschung im frühen 20. Jahrhundert.
Cécile Mugnier kam am 27.3.1875 in Annecy in Frankreich zur Welt. Sie studierte Medizin, was zur damaligen Zeit geradezu revolutionär war. Im Jahr 1893 war sie eine der wenigen Frauen, die von der Pariser Universität eine Zulassung zum Medizin-Studium erhielt.
Hier lernte Cécile Mugnier 1898 auch den deutschen Gastforscher Oskar Vogt kennen. Sie folgte ihm 1899 nach Berlin, wo sie im selben Jahr heirateten. In einem Mietshaus in der Magdeburger Straße (heute Kluck Straße) im Tiergartenviertel gründete das junge Ehepaar die private „Neurologische Centralstation“, die bereits wenige Jahr nach der Gründung als „Neuro-Biologisches Laboratorium“ dem Physiologischen Institut der Universität angeschlossen wurde
1914 wurde ihre Forschungseinrichtung zum Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung, das zunächst weiter in der Magdeburger Straße, ab Ende der 1920er Jahren in neu errichteten Gebäuden in Berlin-Buch angesiedelt war. Hier widmeten sich Oskar und Cécile Vogt insbesondere Fragen, wie verschiedene Hirnstrukturen und psychische sowie physische Leistungen des Organismus und wie Veränderungen in bestimmten Hirnarealen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen zusammenhängen. In ihrer großen Hirnsammlung, die als wissenschaftliche Datenbank diente, gab es daher neben Gehirnen von Erkrankten auch sogenannte „Elitegehirne“ oder Gehirne von Verbrechern.
Ab 1919 leitete Cécile Vogt die anatomische Abteilung des Instituts, eine beachtliche Position für eine Frau ihrer Zeit. Später erlangte Oskar Vogt Bekanntheit, nachdem er zwischen 1925 und 1927 das Gehirn Wladimir Iljitsch Lenins untersuchte, das in Form von 30.000 Schnitten präpariert worden war. Die Leistungen von Cécile Vogt wurden dabei meist übersehen. Sie sorgte nicht nur dafür, dass die gesamte Ausrüstung nach Moskau transportiert wurde, sondern hatte auch einen wesentlichen Anteil an Konservierung und Präparation.
Cécile Vogt publizierte zahlreiche Ergebnisse ihrer Forschung, häufig in gemeinsamen Veröffentlichungen mit ihrem Mann, und sehr oft als Erstautorin. Eine seltene Form der Bewegungsstörung ist nach ihr als Vogt-Syndrom benannt.
Es war auch Cécile Vogt, die in Berlin-Buch hauptverantwortlich für die Gehirnsammlung war, die Präparation der Exponate anleitete und diese katalogisierte. Auch die zahlreichen Besucherinnen und Besucher führte sie oft persönlich durch die Sammlung. Vermutlich ist es auch ihr zuzuschreiben, dass auf dem Campus Berlin-Buch zur damaligen Zeit ungewöhnlich viele Frauen tätig waren, sie förderte und unterstützte Mitarbeiterinnen nach Kräften.
Mit ihren Untersuchungen, welche Funktionen bestimmte Hirnzentren erfüllen, legten Oskar und Cécile Vogt einen Grundstein für die heute nahezu abgeschlossene anatomische und funktionelle Kartierung der Hirnrinde. Im damals weltweit größten Institut für Hirnforschung leiteten Oskar und Cécile Vogt die Abteilung „Architektonische Hirnforschung“, wo sie Gehirne von Patientinnen und Patienten mit neurologischen Erkrankungen auf histologische Veränderungen hin untersuchten. Ein Novum zu seiner Zeit, als psychische Krankheiten als Erkrankungen der Seele und nicht des Gehirns galten. Bei ihrer Suche nach einer morphologischen Erklärung für neurologische und psychiatrische Leiden interessierten sich Oskar und Cécile Vogt auch für vererbbare Einflüsse. Die Ergebnisse ihrer umfangreichen Untersuchungen veröffentlichten sie 1937/38 in ihren Arbeiten zum "Sitz und Wesen von Krankheiten im Lichte topistischer Hirnforschung".
1937 mussten die Vogts Berlin verlassen, nachdem Oskar Vogt bereits 1934 seiner an sich lebenslangen Position als Direktor des KWI enthoben worden war. Die Vogts waren für die Nationalsozialisten in vielerlei Hinsicht ein Feindbild, unter anderem warf man ihnen die Verbindungen zur Sowjetunion vor. Aber auch, dass sie viele jüdische und internationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigten, dass Cécile aus Frankreich stammte und dass sie als sogenannte „Doppelverdiener“ das NS-Familienkonzept nicht erfüllten, trug zu den Attacken und Schikanen bei. Die Vogts verließen Berlin und bauten in Neustadt im Schwarzwald eine neue private Forschungsstätte auf, erneut mit Unterstützung der Familie Krupp und der Rockefeller Foundation. Hier arbeiteten Oskar und Cécile Vogt beide bis ins hohe Alter gemeinsam. Nach dem Tod von Oskar Vogt 1959 gerieten Cécile Vogts Leistungen zunehmend in Vergessenheit, obwohl es in einem Nachruf noch hieß: „Cécile Vogt war die erste Frau, die auf dem Gebiet der Hirnforschung Weltruhm erlangt hat“. Sie verließ Deutschland und verbrachte die letzten Jahre bei ihrer Tochter Marthe in Cambridge in England. Dort starb Cécile Vogt am 04.05.1962.
Ihre Entdeckungen bildeten die Grundlage für zahlreiche Arbeiten am Leib-Seele-Problem. Die von ihr und ihrem Mann Oskar Vogt betriebene topistische Hirnforschung entwickelte sich zur dynamischen Lokalisationslehre weiter.
Hans Scheib, Bronze, 2002